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Römer 8, 28

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Was für eine Übertreibung! Da steht „wir wissen“, nicht wir glauben oder hoffen. Da steht „alles zum Guten“, nicht manches oder einiges. Alles, was einem Christen in seinem Leben begegnet, geht letztlich gut für ihn aus. Woher weiß Paulus das?
Der Apostel ist kein Schwärmer. Im Zusammenhang des Monatsspruchs (Römer 8, 18-30) spricht er viel von den Leiden der Gegenwart, vom sehnsüchtigen Harren der Kreatur und der Sklaverei der Vergänglichkeit. Paulus selbst hat Grund zu seufzen und zu klagen und trotzdem sagt er:
„Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt.“ (Römer 8,28)
Menschen, die glauben, die mit Gott rechnen, ja ihn lieben, können mit ihren gegenwärtigen Leiden anders umgehen als Menschen ohne solchen Glauben. Warum?
Ein Kind fragt nicht, ob Eltern es auffangen, wenn es eine Rutsche heruntersaust, es rutscht, springt, lässt sich einfach fallen. Es vertraut ganz einfach. Jede Überlegung, jeder Zweifel - fangen die mich auch fest genug, passen die Eltern denn auch auf - lassen Unsicherheiten aufkommen. Ausrutscher und Fehltritte sind dann vorprogrammiert.
Wenn jedes Mal zuerst geklärt werden müsste, ob das Vertrauen wirklich gerechtfertigt ist, würde sich kein Mensch mehr in die Arme eines anderen fallen lassen. Es gibt leider so viel offenes und verstecktes Misstrauen unter uns. Das Leben ist schon schwer genug, aber durch unser Misstrauen wird der Alltag noch schwerer.
Wir können noch so gewiss sein in unserem Glauben, wir werden trotzdem nicht vor dem Leiden bewahrt. Wer auf den Spuren Jesu heute zu den Benachteiligten hält, muss mit dem Widerstand der Zufriedenen rechnen. Vergessen wir nicht, Paulus steht auf dieser Seite. Er war krank, ohne festen Wohnsitz und wegen seiner Zugehörigkeit zur Christengemeinde wurde er verfolgt. Für ihn sind die Natur, Welt und Menschen ein unüberhörbarer Chor von Stöhnenden und Seufzenden.
Da sind auch heute die Gescheiterten, die fragen: „Was habe ich nur verkehrt gemacht?“ Da sind die Erfolglosen, die dauernd ihr eigenes Dasein rechtfertigen müssen. Da sind die Einsamen und Verlassenen, die sich fragen, warum sie immer noch leben müssen. Und da sind nicht zuletzt die Kranken, die unter der Gegenwart leiden und sich vor der Zukunft fürchten.
Wenn wir uns von Gott geliebt wissen und glauben, dass er alles zum Guten führt, dann haben wir einen Auftrag an diesen Menschen. Es geht nicht darum, sie zu belehren, sie zu ändern, zu bessern, sondern auf sie zuzugehen und das Selbstverständliche zu tun.
Zwei junge Juden sprechen miteinander: „Salomon, liebst du mich?“ - „Ja, ich liebe dich mehr als alles in der Welt!“ - „Weißt du denn, was mir weh tut?“ - „Wie soll ich wissen, was dir weh tut?“ - „Wie kannst du sagen, du liebst mich, wenn du nicht weißt, was mir weh tut?“
Liebe kann man lernen, Liebe muss man üben. Wer liebt, wird merken, dass er nicht ärmer wird. Wer liebt, hält viel aus. So können wir mit dem Leiden umgehen. Uns hilft die Hoffnung, dass Gott aus dem Nichts Leben und aus der Finsternis Licht schaffen kann. Unser Monatsspruch kann uns aufrütteln. Unser Einsatz für die Schwachen ist nötig. Wir werden einmal staunen, wie oft wir Leiden lindern konnten.

Rainer Schling