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Lukas 10, 20

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„Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“
(Lukas 10, 20)

Wie ist das möglich? Wie können wir uns nach der größten Naturkatastrophe seit Menschengedenken mit über 165 000 Toten zur Freude aufrufen lassen? Nach dem unermesslichen Leid, in das die Flutkatastrophe Millionen von Menschen gestürzt hat, sollte es da nicht nur eine Solidarität der Trauer, des Mitfühlens, der Hilfe geben?

Vor den Krankenhäusern in den Krisengebieten befinden sich Stellwände vollgeklebt mit Fotos. Tote sind dort zu sehen, Leichen sind abgebildet ohne Namen. Dann stehen nur Namen da, verzweifelte Hilferufe. Menschen sind verschwunden, vermisst. Das einzige, was noch an sie erinnert, ist ein hingekritzelter Name, angebracht an einem Zaun oder auf einer Namensliste im Internet.

In diesen schweren Stunden finden viele Menschen Trost und Halt in ihrem Glauben. Für die christlichen Hinterbliebenen, die ihre Angehörigen verzweifelt suchen und doch schon ahnen, dass ihre Suche erfolglos sein wird, bekommen die Worte aus dem Lukasevangelium neue Bedeutung.Die Namen sind auch im Himmel aufgeschrieben. Bei Gott geht keiner verloren. Das gilt zwar immer, aber in Extremsituationen wird es uns besonders wichtig. Der Monatsspruch erinnert uns an einen zentralen Punkt christlichen Glaubens. Die Freude, die zum Leben gehört, ist ein Geschenk, eine Frucht des Glaubens.

„Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“

Es ist gut, dass der Grund zur Freude, im Himmel zu finden ist.

Der Monatsspruch ist ein Vers aus einer Geschichte, in der Jesus 72 Jünger je zu zweit ausgeschickt hat. Ohne große Vorbereitung, ohne irgendwelchen Besitz sollen sie Gewaltiges vollbringen: Kranke heilen, den Frieden Gottes zu den Leuten bringen. Und diese Leute, die in ihrem bisherigen Leben alle etwas anderes getan haben, kommen zurück und haben Gewaltiges bewegt. Sie haben nicht nur Kranke geheilt, sondern auch Geister und Dämonen ausgetrieben. Die Zweiundsiebzig kommen voll Freude zurück, Grund haben sie genug.

Und Jesus sagt zuden jubelnden, fröhlichen Jüngern:

„Darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind. Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“

Der Grund unserer Lebensfreude liegt nicht in dem Großartigen, was wir in der Welt vielleicht zu Stande bringen, er liegt immer schon verborgen in uns selbst. Ein jeder von uns ist einmalig und unverwechselbar. Und es ist geradezu ein Kennzeichen Gottes, dass er einen jeden von uns mit Namen kennt.

„Ich rufe dich bei deinem Namen, du bist mein.“
(Jesaja 43)

Unser Name kann nicht vergessen werden, denn wir sind - um es biblisch zu sagen - eingeschrieben im Buch des Lebens. In den Augen Gottes ist unser Leben etwas wert. Diese Würde kann uns auch keine Naturkatastrophe nehmen.

Die Zäune mit den Fotos und Namen werden weggeräumt, die Urlaubsparadiese neu aufgebaut, in ein paar Monaten erinnert kaum noch etwas an das unfassbare Grauen. Die Welt geht zur Tagesordnung über, aber die, die auf so schreckliche Weise jemanden verloren haben, werden nicht vergessen. Es ist nicht nur für die trauernden Hinterbliebenen wichtig, inne zu halten und sich selbst zu vergewissern: Wir alle haben unseren Namen im Himmel. Gott kennt uns und vergisst uns nicht. In seinem Herzen ist unser Name unauslöschlich eingeschrieben. Ist das nicht Grund zur Freude?

Trotz aller Trübsal und allem Nichtverstehen, trotz aller Ungerechtigkeit darf der Glaubende bekennen:

„Dennoch bleibe ich, Herr, stets bei dir; wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“
(Psalm 73)

Rainer Schling