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Sprüche 10, 5

 

Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben.“
„Geh aus, mein Herz“ - das spricht davon, sich auf den Weg zu machen, zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem Stock, so gut es noch geht. Aber vor allem: sich mit dem Herzen aufzumachen, sich zu öffnen, bereit zu sein zur Begegnung, zum Berührtwerden.
„Geh aus, mein Herz, und suche Freud ... an deines Gottes Gaben.“ Wir werden aufgefordert, uns aufzumachen, um die Freude zu suchen. Das ist ja ein interessanter Zusammenhang: Die Freude soll gesucht und dann auch gefunden werden. Das Lied spricht eine andere Sprache als das, was uns sonst vorgegaukelt wird: als fiele uns das Glück, die Freude in den Schoß. „Geh aus, mein Herz, und suche Freud!“ Es gehört schon etwas von unserer Seite aus dazu, das Suchen. Der Liederdichter Paul Gerhardt verbindet die Freude mit dem Betrachten der Gaben Gottes. Wer sich in Gottes schöner Schöpfung umschaut, wer sich mit offenen Sinnen den vielfältigen Formen, Farben und Düften zuwendet, dem kann das Herz davon voll werden, in dem wächst eine Freude an seines Gottes Gaben.
Der Sommer ist die Jahreszeit des Wachsens, des voll und reif Werdens, Zeit der Fülle, der Üppigkeit, des Überflusses. Obst und Gemüse werden in den Sommermonaten reif. Viel zu viel, um alles auf einmal zu essen. Darum hat man es in früheren Zeiten eingekocht, haltbar gemacht für dürre Zeiten, für kalte Wintertage, in denen nichts reift.
Ein Sprichwort sagt: „Wer im Sommer sammelt, ist klug“ (Sprüche 10, 5). Wer in der Zeit der Fülle sammelt, einen Vorrat anlegt für karge Zeiten, der ist klug. Eine kleine Kindergeschichte macht das auf ihre Weise so deutlich:
Es war einmal eine Familie von Feldmäusen, die lebte in einer alten Steinmauer. Als der Sommer sich neigte, fingen die Feldmäuse an, Vorräte für den Winter zu sammeln: Körner, Nüsse, Weizen und Stroh. Die Mäuse arbeiteten Tag und Nacht, alle - bis auf Frederick.
„Frederick, warum arbeitest du nicht?“ fragten sie. „Ich arbeite doch“, sagte Frederick, „ich sammle Sonnenstrahlen für die kalten, dunklen Wintertage.“ Nach einer Weile fragten sie ihn wieder: „Frederick, und was machst du jetzt? Du sitzt da einfach rum und guckst in die Landschaft.“ „Ich sammle Farben“, sagte er, „denn der Winter ist grau.“
Als nun der Winter kam und der erste Schnee fiel, zogen sich die Feldmäuse in ihr Versteck zwischen den Steinen zurück. In der ersten Zeit gab es noch viel zu essen und zu erzählen. Alle waren glücklich. Aber nach und nach waren alle Vorräte aufgebraucht, es wurde kalt zwischen den Steinen der Mauer, keiner erzählte mehr etwas.
Da fiel ihnen plötzlich ein, dass Frederick auch etwas für den Winter gesammelt hatte. „Frederick, gib uns von deinen Vorräten!“ riefen sie. Frederick stand auf und sagte: „Macht die Augen zu!“ Und er fing an, von den warmen, schönen, goldenen Sonnenstrahlen zu erzählen. Und während er so erzählte, wurde es den Mäusen schon viel wärmer. Und Frederick erzählte weiter von den Farben des Sommers, von roten Mohnblumen, gelben Kornfeldern, grünen Wiesen und dem blauen Himmel. Und die Mäuse sahen die Farben klar und deutlich vor sich. Da kehrte in ihren Winter ein Stück Sommer ein.
„Wer im Sommer sammelt, ist klug.“ Sommer - die Zeit der Fülle, des Überflusses, der Schönheit, der Farben. Das passt zu dem Wetterx
Ich wünsche Ihnen, dass dieser Sommer solch ein Vorrat für Sie werden möge, ein Vorrat an guten Erfahrungen und Begegnungen für die dunklen, kalten Wintertage - die echten und die, die wir als dunkel und kalt erleben. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie, wenn Sie heute das Wetter genießen, die Freude an Gottes Schöpfung finden. Das wird dann helle Strahlen auf Ihren Gesichtern und bunte Farben in Ihren Herzen hinterlassen. Möge Gott uns das schenken.

Anika Buchert