Hauptmenü

Schöpfungsglauben und Guerilla Gardening

Ein Feldweg an der Ostsee. Nichts Besonderes - und doch wunderschön.
Mohn und Kornblumen, so weit das Auge reicht. Sie sind hier einfach so gewachsen. Niemand hat die Samen in die Erde gelegt.
Diese Blütenpracht - ein echtes Geschenk des Himmels. Ich weiß es zu schätzen. Ich kenne die Mühsal der Kleingärtnerei, um von Frühling bis Herbst Farbe ins Beet zu bekommen.
Ich kenne auch die vielen versiegelten Flächen in Städten, die Pflanzen keine Luft zum Atmen lassen. Wie hübsch wäre es, wenn mich Mohn- und Kornblumen nicht nur an einem unberührten Feldweg erfreuen würden - sondern mitten in der Stadt auf einer Verkehrsinsel.
Was für mich in vielen Städten immer noch ein Traum ist, das setzen Menschen schon seit einigen Jahrzehnten in die Tat um. Zum Leidwesen der Ordnungshüter beseitigten sie gerne öde und kahle Flächen. Anfangs heimlich, im Schutz der Dunkelheit und zudem illegal bewegten sie sich durch die Metropolen. Guerilla Gardening nennt sich diese Bewegung bis heute. Die aber inzwischen in einigen Städten durch feste Patenschaften, eine Straße zu verschönern, ersetzt werden konnte. Die Guerilleros sorgen für Überraschungspflanzungen. Vom Motorrad oder Fahrrad werfen sie sogenannte „seetballs“ (Samenbälle) aus.
Ich habe mir ein Beispiel an den Guerilleros genommen und mir eine Packung für den Hausgebrauch gekauft. Da lese ich: „Acht Samenbälle für blühende Oasen an tristen Orten. Machen auch Sie Ihre Welt ein bisschen freundlicher und schöner. Werfen Sie die Samenbälle genau dahin, wo bunte Blumen vermisst werden und wachsen können. Ihre Mitmenschen erhalten nach wenigen Wochen eine blühende Überraschung.“
Damit sich die Überraschung in Grenzen hält, sagt mir die Verpackung wenigstens in etwa, was mich erwartet: Sonnenblume, Malve, Perserklee, Borretsch, Lupine, Kornblume und weitere Blüher. Das sind doch bunte Aussichten, oder?
Ich gebe zu: Ich habe Freude an dem fröhlichen Ungehorsam der pflanzenden Menschen.
Weil sie sich doch nicht einfach zufrieden geben. Weil sie nicht in ein Lamento einstimmen, man könne ja eh nichts machen, um diese Welt zu verändern:
Ich glaube an Gott, den Schöpfer.
Gott hat diese Sommerwelt mit der gesamten Farbpalette bedacht.
Ich glaube an Jesus Christus. Mutig sät er Gottes Liebe und Vergebung aus. Oft anders, als es die Gesetzeshüter in Ordnung finden. Auch sie dürfen anerkennen:
Wo Jesus sät, da beginnt ein Menschenleben zu blühen.
Ich glaube an den Heiligen Geist. Wirkend in Menschen, die sich beruflich und ehrenamtlich für andere einsetzen. In der Gemeinschaft der Heiligen, die einander wertschätzen. In der Vergebung der Sünden, die ich wagen kann, weil Gott möchte, dass auch der Sündige umkehrt und lebt. In der Auferstehung der Toten, die die Nacht des Todes hinter sich lassen. Im ewigen Leben, das mir auch nach meinem letzten Atemzug eine Zukunft verheißt.
In diesem Glauben können auch wir alle zum „Samenball“ werden. Uns selber verschenken mit dem Glauben, der in uns steckt. Nicht bei Nacht und Nebel. Und immer fröhlich und ein wenig ungehorsam gegen jedes Nein, das einem Menschenleben entgegengeworfen wird. Dann will ich mich und andere Menschen fragen:
Welches Leben darf wachsen, wer darf neben und mit dir blühen?
Wie kann ich diese Welt ein bisschen schöner und freundlicher gestalten?
Wir Menschen haben immer wieder viel zu tun, um unser Leben zu beackern.
Aber – einfacher ist diese Welt eben nicht zu bekommen, in der das Leben für alle Geschöpfe ein Fest sein wird. Mut und Freude an dieser Arbeit samt wohlverdientem Lohn – das wünsche ich Ihnen und Euch in dieser Sommerzeit.

Irmela Lutterjohann-Zizelmann
Juni 2018