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Psalm 62, 9

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Wenn Sie diese Zeilen lesen, liegt die vorgezogene Bundestagswahl hinter uns. Der Pfeil auf dem Bild zeigt eindeutig in eine Richtung, aber so klar und einfach war für die meisten Wähler die Entscheidung bei der sogenannten Richtungswahl nicht. Verunsicherung, Hilflosigkeit bei vielen Wählern: Wie soll es mit unserem Volk weitergehen? Wenn im Oktober die neue Regierung in ihr schweres Amt eingeführt wird, dann wünschte ich mir, dass viele neuen Minister ihr Gelübde mit der Bitte abschließen: „So wahr mir Gott helfe ...“

„Mein Glaube geht nur mich persönlich etwas an...“, so argumentieren viele und finden die religiöse Formel unpassend. Die Gewählten bauen auf ihre politischen Strategien, bekommen wahrscheinlich ihre eigenen Wahlkampfparolen nicht so schnell aus dem Kopf.

„Vertrau ihm, Volk Gottes, zu jeder Zeit! Schüttet euer Herz vor ihm aus! Denn Gott ist unsere Zuflucht.“

Nach den unruhigen Wochen des Wahlkampfes empfinde ich den Monatsspruch für Oktober als eine befreiende Einladung. Es ist ein Angebot, wieder zur Ruhe zu kommen und Schutz zu finden. Viele in unserem Volk leiden unter dem Gefühl der Verlorenheit, alle politischen Reformen scheinen zu kurz zu greifen, werden zerredet, helfen nicht wirklich. Der Hinweis auf Gott kann uns die Richtung zeigen. Wem kann man noch vertrauen? „Vertrau ihm, Volk Gottes, zu jeder Zeit!“ Gott verdient unser Vertrauen zu jeder Zeit und in jeder Lage. Nur wem ich vertraue, kann ich auch mein Herz ausschütten. Ich muss aus meinem Herzen keine Mördergrube machen, alles was drin ist, kann ich ausschütten.

„Ausschütten“ ist ein heftiger Vorgang. Ich leere einen Eimer, indem ich ihn ausschütte. Vor Menschen kann ich mein Innerstes nicht so offenlegen, aber vor Gott kann ich es tun, denn er ist unsere Zuflucht.

Was für den einzelnen in seinem Glauben gilt, gilt auch für ein Volk. Im Alten Testament hatte das Volk Israel noch einen unmittelbaren Zugang zu Gott. In der Wüste zog er tagsüber in einer Wolkensäule vor dem Volk her, nachts in einer Feuersäule. Gott selbst hat für sein Volk gestritten.

Das Gottesbild des Alten Testamentes hat Jesus gewandelt. Für Jesus war Gott der liebende Vater. Jesus war sich sicher, bei Gott gilt: „Klopfet an und es wird euch aufgetan.“Gott ist jederzeit für uns da. Was immer Gott für andere ist, für uns ist er eine Zuflucht. Darum dürfen wir uns als Christen politisch einsetzen, dürfen mithelfen, konkrete Wege aus unseren Sorgen und Nöten zu finden. Als Christ darf ich mich einsetzen für die Gemeinschaft. Dabei brauche ich keine Angst vor Fehlern zu haben, die ich dabei mache. Darum brauche ich mich von der politischen Resignation nicht anstecken zu lassen. Wir dürfen Menschen sein, die Gott in allem vertrauen und ihm ihr Herz ausschütten.

Und wir werden seine Nähe spüren. Wir werden ihn nicht als Feuersäule oder Wolke sehen, aber in dem wir nicht resignieren, etwas wagen, Nächstenliebe riskieren, werden wir in unserem Herzen spüren, Gott ist jetzt schon unsere Zuflucht.

Warum sollen nur Minister bei ihrer Vereidigung sagen: „So wahr mir Gott helfe ...“? Wir alle sollten diesen Satz in unserem oft so mühseligen Alltag ruhig öfter auf den Lippen haben. Immer dann, wenn wir etwas tun, wo wir nicht so genau wissen was daraus wird, dürfen wir uns diesen Satz als Ermutigung und gleichzeitig als Entlastung selber sagen.

„Vertrau ihm, Volk Gottes, zu jeder Zeit! Schüttet euer Herz vor ihm aus! Denn Gott ist unsere Zuflucht.“

Rainer Schling